Zwischendurch mal abschalten, und zwar richtig? Gar nicht so einfach. Zu leicht machen es uns Smartphone, Tablet und Co., uns mit der Welt, den Freunden und dem Konsum verbunden zu fühlen. Dass wir dabei das analoge Leben vor lauter auf den Bildschirm starren verpassen, scheint den Wenigsten etwas auszumachen.

Doch damit einher geht auch, dass wir zwar physisch das Büro verlassen, per Smartphone aber wie mit einer elektronischen Leine ans Geschäft gebunden sind. Nach Büroschluss die Arbeit hinter sich lassen, war gestern. Arbeitgebende erhoffen sich dadurch mehr Leistung, Arbeitnehmende Bestätigung und Aussicht auf beruflichen Aufstieg.

Zwischendurch eine Sendepause ist zentral

Auch mal abzuschalten und sich auszuklinken, Nichts tun, und einfach mal durchzuatmen, tut nicht nur gut, sondern ist äusserst wichtig. Denn auch in der digitalen Welt gilt: Die Dosis macht das Gift. Der deutsche Psychiatrieprofessor Manfred Spitzer warnt:

«Jeder Computer nimmt uns geistige Arbeit ab – das führt langfristig zur digitalen Verblödung. Wer immer mit Navi unterwegs ist, verliert den Orientierungssinn. Wer immer googelt, verliert das eigene Denken.»

Wem das nicht einleuchtet, war wohl bereits zu viel im Netz unterwegs. Jugendpsychiater Michael Winterhoff, 61, fügt hinzu: «Durch das Internet steht uns ein unbegrenztes Angebot zur Verfügung – überall und jederzeit. Ein Zustand wie im Säuglingsalter. Man schreit und sogleich kommt die Brust. Ein Säugling hat jedoch keinerlei Frustrationstoleranz, keine Möglichkeit, auszuhalten, abzuwarten. Je mehr der Mensch sich daran gewöhnt, seine Lust sofort zu befriedigen, desto mehr verfällt er in einen kindlichen Zustand, in dem eigenmächtiges Handeln, Denken und Entscheiden nicht mehr möglich ist.»

Holen wir uns die Selbstverantwortung zurück

In seinem Buch «Mythos Überforderung – Was wir gewinnen, wenn wir uns erwachsen verhalten» zeigt Winterhoff den verhängnisvollen Mechanismus der Opferrolle auf. Und plädiert dafür, dass wir speziell in der digitalen Welt wieder mehr Selbstverantwortung übernehmen und klare Entscheidungen treffen.

Was es mit dem digitalen Knigge auf sich hat, warum ein Waldspaziergang Wunder wirkt und wie lange es gehen wird, bis wir den Umgang mit digitalen Medien beherrschen, lesen Sie im Originaltext erschienen im Wir Kaufleute 10 / 2016.


7 Tipps, um das Offline-Leben mal wieder zu geniessen

  1. Tragen Sie eine Armbanduhr.
  2. Lassen Sie sich von einem analogen Wecker aus dem Schlaf klingeln.
  3. Schalten Sie das Smartphone aus, wenn Sie konzentriert arbeiten wollen.
  4. Schaffen Sie digitale Freizonen, damit Sie z.B. im Schlafzimmer nicht gestört werden.
  5. Beschränken Sie sich auf ein bis zwei soziale Plattformen. Das spart Zeit und Nerven.
  6. Klären Sie mit dem Arbeitgebenden, ob er erwartet, dass Sie auch ausserhalb der Arbeitszeiten erreichbar sind. Falls nicht, erledigen Sie die Mails am nächsten Morgen – im Büro.
  7. Nicht mit dem Smartphone zahlen, benutzen Sie herkömmliche EC Karten und altmodisches Bargeld.

Lesetipps

Mythos Überforderung (Michael Winterhoff, Gütersloher Verlagshaus 2015)

Viele Erwachsene vermeiden regelrecht, Entscheidungen zu treffen. Ursächlich dafür ist die Überforderung. In «Mythos Überforderung» wird dieser Mechanismus entlarvt und gezeigt, wie wir unser Leben wieder selbst in die Hand nehmen, indem wir klare Entscheidungen treffen