Hitzige Temperaturen, heisse Eisen: Beim sommerlichen Talk im Zürcher Kaufleuten diskutierten die Zürcher Ständeräte Daniel Jositsch (SP) und Ruedi Noser (FDP) unter der Leitung von Tagi-Redaktor Hannes Nussbaumer aktuelle Themen aus Politik und Wirtschaft.

Seit gut eineinhalb Jahren vertreten Daniel Jositsch, Strafrechtsprofessor und Präsident des Kaufmännischen Verbandes, und der Unternehmer Ruedi Noser den Kanton Zürich in Bern. Dass sie über die Parteigrenzen hinweg gut zusammenarbeiten können, zeigt sich nicht nur im Ständerat.
Auch an diesem heissen Montagabend vom 19. Juni harmonieren die beiden Politiker auf dem Podium im wohltemperierten Kaufleutensaal.

…zur Situation als Zürcher in Bern

„Wir waren ja beide bereits im Nationalrat, insofern hat sich da nicht viel geändert. Im Ständerat herrscht eine sehr kollegiale, lösungsorientierte Atmosphäre. Auf der personellen Ebene habe ich den sogenannten Anti-Zürich-Reflex noch nie bemerkt. Hingegen zeigt er sich durchaus in Sachvorlagen, wie bei Infrastrukturprojekten oder beim Finanzausgleich, wo jeder für sich schaut und wir als relativ grosser, wichtiger und finanzstarker Kanton nicht mehr Gewicht haben als andere.“

Daniel Jositsch

„Wenn wir in Bern ein Ziel erreichen wollen, betrifft es ja meist die gesamte Schweiz. Wenn 25 Prozent der Wirtschaft – und das macht der Standort Zürich in etwa aus – nicht funktionieren würden, hätten auch Schaffhausen, Glarus oder Schwyz ein Problem.“

Ruedi Noser

…Stichwort „Unsicherheit, Unberechenbarkeit und der Blick in die Zukunft“

„Aus meiner Sicht haben wir das Schlimmste noch nicht hinter uns. Wir haben in Europa ein grosses demografisches Problem, ein Europa, in dem fast alle Staaten hoch verschuldet sind. Zugleich ist unserer Jugend so gut wie noch nie ausgebildet – trotzdem herrscht eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Hinzu kommt, dass der Arabische Raum / der Nahe Osten sehr instabil ist. Deshalb denke ich, dass es in Zukunft eher mehr als weniger Probleme auf uns zukommen.
Doch ich bin überzeugt, dass wir in der Schweiz mit der direkten Demokratie einen einmaligen Vorteil haben: Unsere Bevölkerung ist gut informiert und unsere Politiker sind geerdet. Die Lösungskompetenz in unserem Land ist dadurch viel höher als bei unseren Nachbarn. So haben wir meiner Meinung nach gute Chancen, um Probleme zu lösen und vielleicht mit einem blauen Auge davon zu kommen.“

Ruedi Noser

Thema „Digitalisierung und den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt“

Die Digitalisierung muss man als Chance sehen, so wie andere Entwicklungen, die einen fundamentalen Umbruch der Arbeitswelt ausgelöst haben. Ich bringe gerne ein Beispiel aus meiner Jugend: Als ich 15 Jahre alt war, ging man am Freitagnachmittag zur Bank, um Geld abzuheben. Das musste dann fürs Wochenende reichen, denn der Schalter öffnete erst am Montag wieder. Heute ist mit den Bankomaten das Geld rund um die Uhr verfügbar. Die Personen hinter dem Schalter haben damals jedoch nicht etwa ihren Job verloren, sondern neue Arbeitsfelder übernommen. So wird es auch jetzt kommen. Um mit der rasanten Geschwindigkeit des digitalen Umbruchs mithalten zu können, sind allerdings Aus- und Weiterbildungen nötig. Der Kaufmännische Verband setzt sich seit 150 Jahren dafür ein und bietet von einzelnen Kursen bis zur Fachhochschulausbildung eine breite Palette an Bildungsangeboten.“

Daniel Jositsch

„Damit die Digitalisierung zu einem Teil der Wertschöpfung unseres Landes wird, müssen wir noch mehr tun. Nicht nur KV-Jobs sind bedroht, der ganze Finanzplatz Zürich ist herausgefordert. Ein Problem der Digitalisierung ist, dass der regionale Markt zugunsten des globalen verloren geht. Das hat man bei Uber gesehen. Deshalb erscheint es mir auch so wichtig, dass unser Finanzplatz für den eigenen Zahlungsverkehr kämpft. Die erste industrielle Revolution hat dazu geführt, dass die Schweizer ausgewandert sind und in Amerika New Glarus gegründet haben. Ich bin der Meinung, dass bei der digitalen Revolution ‚New Switzerland’ in der Schweiz gegründet werden muss. Das bedingt allerdings, dass wir vermehrt in Forschung und Innovation investieren und unsere ohnehin schon hohe Bildungs- und Meinungsfreiheit weiterhin stärken.“

Ruedi Noser

…zur „unklaren Linie des Bundesrates betreffend Europa“

„Wir befinden uns in einem gänzlichen Stillstand. Selbst ein Schwexit wäre besser als die momentane Situation. Ein Unternehmen, das in die Schweiz kommen will, kann nicht abschätzen, ob unser Verhältnis zu Europa in Zukunft stabil ist oder nicht. Der Bundesrat hat keine einheitliche Position und durch den Rücktritt von Didier Burkhalter entsteht eine Pattsituation von 3:3. Ich hoffe, dass wir durch Volksentscheide wieder auf sicheres Terrain kommen. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung äussert, was sie will, damit wir aus dieser Sackgasse wieder herauskommen.“ Daniel Jositsch

„Der Bundesrat muss klar kommunizieren, was er will – und wie er das erreicht. Dann hätten wir die Basis für eine sachliche Diskussion gelegt. Ich bin in einem Kanton mit einer Landsgemeinde aufgewachsen. Vor der Bevölkerung darf man nicht Angst haben. Diese entscheidet immer richtig.“

Ruedi Noser

…für den Lacher des Abends sorgte Daniel Jositsch. Nach Streitpunkten zwischen ihm und Ruedi Noser gefragt, sagte er:

„Trotz aller Überzeugungsarbeit konnte ich Ruedi Noser nicht davon abhalten, gegen das Nachrichtendienstgesetz zu stimmen. Da ist er eindeutig zu links für mich.“

 

Video-Beitrag vom Anlass