Es häufen sich Stimmen, dass Arbeitszeugnisse ausgedient hätten. Ist dem so? Womit hat das zu tun? Was ist die Aufgabe eines Zeugnisses und gäbe es Alternativen?
Eine Studie* besagt, dass 46 Prozent der Personalverantwortlichen Arbeitszeugnissen wenig Bedeutung zumessen. Auch erachten sie den Aufwand als zu gross. Dies, obwohl in der Deutschschweiz mittlerweile bei jedem zweiten Arbeitszeugnis eine Software im Spiel sein soll. Bei jedem dritten Arbeitszeugnis seien die Arbeitnehmenden sogar gebeten worden, das Zeugnis selbst zu formulieren.
Gleichzeitig häufen sich die Aussagen von Vorgesetzten, dass diese Dokumente der ursprünglichen Funktion kaum mehr gerecht würden, da sie mit wohlklingenden Floskeln und immer gleichen Textbausteinen versetzt würden. Auch steht die Vermutung im Raum, dass Arbeitgeber:innen allzu wohlwollende Arbeitszeugnisse ausstellen, um Diskussionen und aufwändige Prozesse zu verhindern.
Bedeutung und Stellenwert
Ein Arbeitszeugnis hat die Funktion, Aufgaben, Einsatz und Erfolg nachweislich zu dokumentieren. Wie jedes Schul- oder Abschlusszeugnis hat ein Arbeitszeugnis einen emotionalen Wert im Sinne der Anerkennung des Engagements. Diese fehlt vielen Angestellten während der Zeit ihrer Anstellung und wird dann bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses umso mehr erwartet.
Um sich bei einer Bewerbung keine Chancen zu verbauen, ist es nach wie vor üblich, sämtliche Arbeitszeugnisse mitzuschicken. Da sich Personaler:innen oft nur fünf Minuten Zeit für den ersten Bewerbungs-Check nehmen, geht es dabei wohl weniger um die Inhalte der Dossiers als um deren Vollständigkeit ‒ leider eine wenig zeitgemässe Lückenorientierung.
Arbeitnehmer:innen glauben nach wie vor, dass ein gutes Zeugnis für die Stellensuche zentral ist und setzen oft alles daran, ein solches zu erhalten. Gleichzeitig wird in die Beurteilungen Vieles hineininterpretiert. Zudem: Ein dreiseitiges Dokument mit einer überdimensionalen Aufgabenliste schreckt die HR-Fachpersonen ab und wenig aussagekräftige Lobhudelei ist nicht glaubwürdig. Natürlich ist Existenzangst oftmals die treibende Kraft dahinter. Aber es gilt beim nächsten Job zu beweisen, was auf dem Papier steht.
Das Arbeitszeugnis der Zukunft
Eine ernsthaft formulierte Beurteilung der Arbeitsleistung liefert den potenziell neuen Arbeitgebenden wichtige Aussagen darüber, was die Person im Unternehmen geleistet hat. Aus diesem Grund werden Zeugnisse auch in Zukunft als Referenz genutzt werden. Sie sind ein Puzzlestück bei der Auswahl der Bewerbenden.
Es gibt Firmen, die bei einer Bewerbung einzig den CV und eventuell noch das LinkedIn-Profil berücksichtigen. Das kann je nach Branche und Funktion sinnvoll sein. Vorstellbar wären auch erweiterte Profile auf LinkedIn als Alternative zum Bewerbungsdossier. Die Frage der Bewertung und wer diese Bewertung vornimmt, ist damit natürlich nicht geklärt. Auch ändert es nichts an der Tatsache, dass Arbeitnehmende einen gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis haben. Ausserdem hat bei Streitigkeiten der Richter das letzte Wort.
Auch wenn der Aufwand des Erstellens und die Gefahr der vorformulierten Textbausteine bleibt, können dennoch unnötige Konflikte über Schwächen eingedämmt werden und die juristische Fragestellung des «beredten Schweigens» in den Hintergrund treten. Gesetzliche Anpassung vorausgesetzt, können Zeugnisse mit einer ressourcenorientierten Haltung wieder persönlich und aussagekräftig sein.
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